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Herzinfarkt im Skianzug

Bergretter im Einsatz © ÖAMTC
Bergretter im Einsatz © ÖAMTC

Angst, Stress und Hetze sind völlig unterschätzte Gefahren auf Österreichs Skipisten. In der abgelaufenen Saison bezahlten 19 Wintersportler mit Herz-Kreislaufstörungen den Skitag mit dem Leben. Karl Gabl, Präsident des Kuratoriums für Alpine Sicherheit, erklärt die Gründe. 

Zwischen 1. November und 19. April forderten 4738 Alpinunfälle in Österreich 116 Tote und 5099 Verletzte. So lässt sich die Statistik des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit, der Alpinpolizei, des Innenministeriums und der Bergrettung in einem Satz zusammenfassen. Das klingt natürlich dramatisch und jeder Tote ist einer zu viel, aber die Zahlen liegen im langjährigen Durchschnitt. So gab es in den vergangenen zehn Jahren in jeder Wintersaison im Schnitt 122 Todesfälle und 5413 Verletzte.

Aufhorchen ließ allerdings ein Fazit von Karl Gabl, dem Präsidenten des Kuratoriums für Alpine Sicherheit. Angesprochen auf die 33 Toten auf den Pisten, im Vergleich zu 24 im Vorjahr, sagte er in der ZiB: „Es liegt auch daran, dass wir deutlich mehr Herzinfarkte hatten. Die Leute machen sich viel zu viel Stress beim Skifahren.“  Mit 19 Wintersportlern erlag heuer mehr als die Hälfte aller Todesopfern den Folgen einer Herz-Kreislauf-Störung.

Gestresst in den Tod auf der Piste? Das sorgt bei so manchem Skifahrer durchaus für Stirnrunzeln. Karl Gabl erklärt: „Dank Österreichs hochmodernen Liftanlagen gibt es kaum noch ein Anstellen in den Schlangen. Dadurch, dass ich viel weniger Wartezeiten an den Liften hab, befinden sich viel mehr Menschen auf den Pisten. Das macht vielen Angst und verursacht Stress.“ Neben dem erhöhten Personenaufkommen ortet der 73-jährige Tiroler einen zweiten Faktor: „Teilweise wird auch der Stress vom Beruf direkt in die Freizeit übertragen. Es ist davon abzuraten, die Tageskarte um jeden Preis bis zur letzten Minute auszufahren. Am ersten Urlaubstag gleich alle Pisten am 3000er zu testen, ist ebenso wenig vernünftig. Da oben hab ich 30 Prozent weniger Sauerstoff als zuhause“, erklärt Karl Gabl. Und wie stirbt man gestresst? Durch einen Sturz oder einen Zusammenprall? „Man sackt einfach zusammen.“ 

Karl Gabl © Kuratorium f.A.S.
Karl Gabl © Kuratorium f.A.S.

Was der Meteorologe und Philosoph vermisst, ist die Gelassenheit, für die Österreich immer sinnbildlich gestanden hat: „Wir waren doch immer für unsere Gemütlichkeit bekannt. Marketingstrategen müssten dieses ,Ankommen, abschalten, loslassen’ den Gästen gegenüber vielleicht noch deutlicher transportieren. Ich glaube, es würde gut angenommen werden. Allerdings bin ich kein Maketingexperte“, räumt Karl Gabl ein. Er appelliert an die Freizeitsportler: „Genießt euren Urlaub mehr! Genießt auch die Landschaft und gönnt euch in Ruhe eine Einkehr!“

Mitauslöser für den Stress auf den Pisten ist natürlich auch die Modernisierung der Anlagen: „Werden Lifte erneuert, folgt auf einen Zweiersessellift stets ein Vierer oder ein Sechser. Statt einem Vierer kommt ein Achter. Oder, wie hier in meiner Heimat St. Anton, kommt statt einem Dreier-Sessellift plötzlich eine wunderschöne Zehner-Gondel. Trotzdem glaube ich nicht, dass es ein Allheilmittel ist, die Frequenz bei den Bahnen zu erhöhen.“

Tage mit Traumwetter nehmen oft albtraumhafte Ausgänge © ÖAMTC
Tage mit Traumwetter nehmen oft albtraumhafte Ausgänge © ÖAMTC

Noch zwei bemerkenswerte Fakten aus der Statistik der Alpinunfälle: „Von den etwa 3500 Alpintoten im Zeitraum von 2006 bis 2018 waren mehr als 99 Prozent ohne Bergführer unterwegs. „Das zeigt sehr deutlich, dass bei geführten Touren die Sicherheit maximal erhöht und das Risiko sehr deutlich gesenkt wird“, sagt Karl Gabl. Und: 85 Prozent der Bergtoten sind Männer, 15 Prozent Frauen. „Wir haben beim Kuratorium für Alpine Sicherheit mittlerweile eine Datenbank mit 120.000 Unfällen. Im Sommer möchte ich anhand dieser Daten gerne die Alpinintelligenz der Frauen in Punkte Gefahr herausarbeiten.” Auch um sein Gefühl wissenschaftlich zu bestätigen: „Frauen sind einfach vernünftiger, überlegter und weniger risikofreudig.“