Pistentiger

Oliver Polzer trainiert jetzt Slalom

Oliver Polzer bei den Generali Open in Kitzbühel © Skiing Penguin
Oliver Polzer bei den Generali Open in Kitzbühel © Skiing Penguin

Um seine Sinne für das Kommentieren zu schärfen, spielt ORF-Stimme Oliver Polzer regelmäßig Fußball sowie Tennis – letzten Winter entflammte seine Liebe sogar fürs Stangenfahren. Im Interview spricht der 45-jährige Wiener über die kommende Weltcup-Saison, den Verlust zweier Übertragungsrechte für seinen Arbeitgeber und Frauen als Ski- sowie Fußball-Kommentatorinnen. 

Herr Polzer, dieses Jahr waren Sie bislang bei den Olympischen Winterspielen, der Fußball-WM, in der Champions League und natürlich bei den Ski-Klassikern in Kitzbühel und Schladming im Einsatz. Auch wenn sich diese Dichte der Großereignisse alle vier Jahre wiederholt, ist das noch etwas Besonderes für Sie oder längst part of the game?
OLIVER POLZER: Zum einen ist es schon part of the game, aber deshalb nicht weniger besonders, denn Olympische Winterspiele und eine Fußball-WM finden nun einmal nur alle vier Jahre statt. Es ist ein beruflich intensives Jahr, aber zur Routine wird das nie.

War Olympia-Gold für Marcel Hirscher Ihr emotionalstes Erlebnis heuer oder hat es Sie mangels Fanmassen und Begeisterung im Zielhang von Pyeongchang nicht so gepackt? Marcel Hirscher haben die halbleeren Ränge schon missfallen.
OLIVER POLZER:  Naja, so wenige Zuseher waren da jetzt auch nicht vor Ort, aber es war natürlich nicht wie in Schladming oder Kitzbühel. Tatsache ist, es ist Olympiagold gewesen und das wird Marcel Hirscher in diesem Moment auch – so wie wir – gespürt haben. Es gibt im Sport nichts Größeres. Für mich war das heuer ein absolutes Highlight. Ich habe schon viele Skikarrieren ein Stück weit begleitet, Marcel Hirscher aber von Anfang an und bei diesem Karrierehöhepunkt dabei sein zu dürfen, ist auf jeden Fall großartig. Wie vier Jahre zuvor beim Abfahrtsgold von Mathias Mayer und nun wieder Alpingold. Da haben wir in der Box schon unsere Stimmen verloren.   

Oliver Polzer bei den Spielen in Pyeongchang © ORF
Oliver Polzer bei den Spielen in Pyeongchang © ORF

Wir sitzen hier in Kitzbühel wenige Meter vom Zielhang der Streif entfernt. Übt der Ort auf Sie als Kommentator auch eine Faszination aus oder sind das Stehsätze, die man in Kitzbühel ebenso hört wie in Gröden, Bormio, Garmisch oder in Wengen?
OLIVER POLZER: Ich mach zwischen Kitzbühel und Schladming keinen großen Unterschied. Bis auf den, dass ich beruflich zweimal pro Jahr in Kitzbühel bin – nämlich Sommer wie Winter. Extra Werbung muss man aber für beide Orte keine machen, so wunderschön ist es. Dass es in Kitzbühel mit den Weltcuprennen und dem Tennisturnier gleich zwei absolute Highlights im Jahr für mich gibt, ist natürlich etwas Besonderes. Und dieser Ort ist auf seine Art magisch, das muss man wirklich sagen. Im Sommer kann ich auch meine Familie mitnehmen, die dann im Schwarzsee schwimmen geht und auch zum Tennis kommt. Es ist die einzige Arbeitswoche im Jahr, wo die Familie mit dabei ist und wo ich sie jeden Tag sehe – trotzdem bin ich auf einer Dienstreise. Ich hoffe, mein Chef liest das nicht, aber Kitzbühel im Sommer würde ich auch gratis machen.

Sie kommentieren Skifahren, Fußball und Tennis. Welche der drei Sportarten beherrschen Sie am besten?
OLIVER POLZER: Das müssen andere beurteilen, aber ich mach alles gerne. Letzten Winter haben Hans und Bernhard Knauss, Thomas Sykora und ich ein gemeinsames Slalomtraining gemacht. Ich versuche gerne neue Sachen kennenzulernen, dazulernen ist in meinem Alter fast schon schwierig. Ich spiele regelmäßig auf Hobby-Niveau Fußball und in meiner Heimatgemeinde Schwarzach in Vorarlberg hätte man mich gerne in der Tennismannschaft. Aber weder will ich an den wenigen Wochenenden daheim auf dem Platz stehen, noch mit Gleichaltrigen über irgendwelche Outbälle diskutieren.

Wie schaut ein Slalom Polzer gegen die Knauss-Brüder und Sykora aus?
OLIVER POLZER: Schlecht für mich, das ist doch selbstverständlich. Aber ich bin total reingekippt! Ich könnte stundenlang Stangen wegstoßen. Ich bin zwar weit weg, dass ich irgendwas gewinnen könnte, aber ich bin so gut, dass es mir taugt, und das ist mir das Wichtigste.

Würde es Sie auch einmal jucken einen Weltcup-Slalom zu fahren – zum Spaß?
OLIVER POLZER:  Nein, das möchte ich nicht. Weder würde ich das Material „derreiten“, noch die vereiste Piste. Das ist eine völlig andere Welt und ich würde mir nie anmaßen, dass ich so etwas auch nur annähernd schaffe. Aber ich will es immer wieder unter für mich möglichen Bedingungen probieren, um meine Sinne zu schärfen, wenn ich darüber rede. Das ist mir ganz wichtig. Darum spiele ich auch Fußball und Tennis. Ab und zu stehe ich in Kitzbühel um 7 Uhr früh, wenn niemand zusieht, mit Stefan Koubek oder Clemens Trimmel auf dem Centre Court.  

Thomas Sykora und Oliver Polzer beim Nightrace in Schladming © ORF
Thomas Sykora und Oliver Polzer beim Nightrace in Schladming © ORF

Es ist jetzt Anfang August und die Temperaturen sind hochsommerlich. Wie intensiv verfolgen Sie das Programm der Ski-Weltcup-Läufer?
OLIVER POLZER: Wenn man, so wie ich, 20 Jahre mit dem Ski-Weltcup unterwegs ist – früher mit Robert Seeger als Assistent und jetzt selber als Kommentator – verlierst du das nie aus dem Blick. Es kommen Mails daher, wo die Athleten jetzt überall hinfahren, die ersten Details der Einkleidung im Oktober stehen fest und man hört von dem ein oder anderen Materialwechsel. Philipp Schörghofer fährt jetzt etwa mit einem Ski, von dem ich noch nie gehört habe. Und wenn du hier in Kitzbühel sitzt und auf die Streif schaust, kriegst du Skifahren nicht aus dem Kopf. Ich marschiere die Streif seit letztem Jahr auch im Sommer zumindest einmal hinauf. Skifahren lässt einen österreichischen Ski-Kommentator nie los.

Nach 20 Jahren im Weltcup: Worauf freuen Sie sich Jahr für Jahr wieder?
OLIVER POLZER: Es muss jetzt noch nicht losgehen, denn ich habe es gerne warm. Aber wenn es beginnt, freue ich mich riesig darauf, dass ich alle wiedersehe. Die Menschen im Skiweltcup sind durch die Bank angenehm, komod und bodenständig.  

Wie könnte sich die nächste Saison entwickeln – auch im Hinblick auf Marcel Hirscher?
OLIVER POLZER: Es gibt mehrere Szenarien: So kann es sein, dass er noch lockerer und gefährlicher wird, weil er jetzt auch Olympiasieger ist. Oder er hat seinen Horizont und die Prioritäten woanders – als Ehemann und werdender Papa. Ich bin ebenso gespannt ob Alexis Pinturault und Henrik Kristoffersen näher rücken und wie sich Österreichs Speed-Team unter Sepp Brunner schlagen wird.

Können Sie sich erklären, warum Marcel Hirscher seine Karriere fortsetzt?
OLIVER POLZER: Ja, das verstehe ich. Er hat an diesem Sport nach wie vor unglaublichen Spaß. Und er ist so schlau, dass er weiß, wenn er damit aufhört, ist es ungewiss, ob er jemals wieder etwas findet, das er mit so viel Leidenschaft betreiben kann. Außerdem ist der Wettkampf für ihn ein ständiger Antreiber. Ich will dieses Thema aber gar nicht forcieren, denn ich bin froh, wenn er lange fährt. Er polarisiert, reibt andere auf und das finde ich spannend. Man bedenke, wie lange wir schon über Marc Girardelli reden, der den Gesamtweltcup fünfmal gewonnen hat. Wie lange erst werden wir über Marcel Hirscher reden? Er gewann siebenmal und fährt noch! Und wie lange wird dieser Rekord unschlagbar sein …

Oliver Polzer, Bernhard Stöhr und Thomas Janeschitz © ORF
Oliver Polzer, Bernhard Stöhr und Thomas Janeschitz © ORF

Wie nachdenklich stimmt Sie eigentlich der Verlust des ORF an den Übertragungsrechten der heimischen Fußball-Bundesliga und der Champions League? Kann es auch passieren, dass der Ski-Weltcup plötzlich auf Sky und oder DAZN läuft?
OLIVER POLZER: Das stimmt mich natürlich sehr nachdenklich. Und ich glaube auch nicht, dass es für Österreichs Fußball gut ist, wenn er die breite Masse nicht mehr erreicht. Auch für den Skisport wäre es ganz schlecht. Beim Ski- bzw. Wintersport ist es noch viel wichtiger, dass er die breite Masse erreicht, da er für den Wirtschaftsfaktor Tourismus so eine immense Bedeutung hat. Aber dass der ORF die meisten Menschen erreicht, weiß ein ÖSV-Präsident und daher schaut man darauf, dass es jetzt einmal so bleibt. Es soll nicht heißen, dass wir im ORF die Tollsten und Besten sind, aber der ORF erreicht einfach die meisten Menschen – noch. Und daher tut es jeder Sportart mit Sicherheit gut, dort auch vorzukommen.

Was löste die untergriffige Kritik an ZDF-Fußballkommentatorin Claudia Neumann während der WM in Ihnen aus?
OLIVER POLZER: Das hat große Übelkeit in mir erzeugt, denn was da im Netz rund um Claudia Neumann passiert ist, war abartig. Aber ich gehe nicht davon aus, dass ein Großteil des Publikums geistig so beschränkt ist, wie die Hass-Poster. Das klingt jetzt hart, aber das sind die Menschen, die sich im Netz auskotzen auch. Selbstverständlich kann eine Frau Fußball kommentieren und natürlich auch Männer-Fußball – das ist ja gar keine Frage! Ich glaube allerdings schon, dass nicht jeder Zuhörer sofort himmelhoch jauchzend glücklich ist, weil man es nicht gewöhnt ist. Du bist gewöhnt, dass ein Mann Männerfußball bespricht. Das hat mit der Stimme zu tun und auch mit der Emotion. Diese Umgewöhnung muss beim Publikum natürlich erst wachsen.

Sie gehen davon aus, dass noch während Ihrer ORF-Laufbahn eine Frau Fußball oder Skifahren kommentieren wird?
OLIVER POLZER: Dessen bin ich mir ganz sicher. Allerdings bin mir aber auch im Klaren darüber, dass man so jemanden – egal ob Frau oder Mann – ganz bewusst darauf hinführen muss. Genauso wie ich hingeführt wurde und es gelernt habe.