Pistentiger

Hans Knauß über Defizite und Lücken im ÖSV-Team

Hans Knauss am Ganslernhang © Skiing Penguin
Hans Knauss am Ganslernhang © Skiing Penguin

Hans Knauß fuhr 13 Jahre im Weltcup und arbeitet inzwischen genauso lange als ORF-Experte. Im Interview spricht der 47-jährige Schladminger über das Manko der ÖSV-Speedherren, an dem er als Aktiver genauso zu knabbern hatte. 

Herr Knauß, Sie haben die Weltcup-Saison der Herren 2017/2018 vom Anfang bis zum Ende nicht nur als Experte, sondern auch 30 Mal als Kameraläufer begleitet. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Leistung?
HANS KNAUSS: Ich danke dem Herrgott nach jeder Fahrt, dass ich gesund im Ziel bin. Die Traverse auf der Streif in Kitzbühel ist fast ein einziger Glücksritt und ich bin selbst beim Kamerafahren froh, wenn immer alles gut gegangen ist. Ich hoffe, dass die Qualität auch gepasst hat. Meinem Rücken geht es heute auf alle Fälle besser als vor drei Jahren. Ich werde immer älter und bin seit heuer 47. Aber ich war heuer so gut beisammen wie schon lange nicht mehr. Das muss man auch zu schätzen wissen und ich kann das schätzen.

Wie halten Sie sich fit?
HANS KNAUSS: Indem ich fleißig trainiere. Neben dem Skifahren sitze ich zu Hause auf dem Hometrainer oder gehe ins Fitnessstudio. Mittlerweile überwiegt sogar die Gymnastik, die mir extrem taugt. Selbst Yoga ist dabei, von dem ich nie gedacht hab, dass ich es je machen werde.

Wie zufrieden sind Sie als ehemaliger Athlet und Fan mit der Saison der ÖSV-Herren?
HANS KNAUSS: Was Marcel Hirscher zeigt, ist unfassbar und das mit einer selbstverständlich scheinenden Kontinuität. So etwas habe ich noch nie gesehen, denn bei Ingemar Stenmark war ich zu jung, um seine Leistung zu begreifen. Für mich ist Hirscher in einem Atemzug mit Stenmark zu nennen.

Und die anderen?
HANS KNAUSS: Das Saisonfinale war versöhnlich – mit den zwei Siegen von Vincent Kriechmayr, davon in der Abfahrt ex aequo mit Matthias Mayer. Nur haben das viele Skifans am Ende der Saison gar nicht mehr mitbekommen und fragen sich, was mit unseren Speed-Fahrern los sei. Ich bin mir sicher, dass Kriechmayr auch in Bormio gewinnen hätte können – wäre er nicht ausgerutscht. Tags darauf fädelt er auf dem Weg zu Platz 2 in der Kombi ein … Wir haben schnelle Leute, aber in leichten Abfahrten bzw. Passagen – sprich Olympia-Abfahrt – haben wir Aufholbedarf. In lang gezogenen Kurven sind Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud kaum zu biegen.

„Ein Defizit in leichtem Gelände aufzuholen ist viel schwieriger.“

Die Österreicher sind auf schwierigen Abfahrten besser als auf leichten?
HANS KNAUSS: Ja, wir sind technisch super. Aber Rennen gewinnst du meistens nicht in den extrem schwierigen Passagen, sondern meistens in lang gezogenen Kurven. Und das ist eine ganz eigene Geschichte, wie man dort schnell sein kann. Es ist viel, viel schwieriger in leichtem Gelände ein Defizit aufzuholen als zum Beispiel in der Mausefalle – da findest eher eine gute Linie. Aber dort wo es leicht ist, sind alle extrem schnell und trotzdem stechen zwei, drei Fahrer heraus, die genau da Zeit herausholen.

Verbessern lässt sich das nur durch Training, oder?
HANS KNAUSS: Ja, durch beinhartes Gleitkurven- und Wellenbahntraining. Das ist Arbeit, die du zumeist schon im Mai auf dem Gletscher machst. Im Herbst hast du dafür mangels Schnee wenig Möglichkeiten. Ich zum Beispiel war technisch sicher einer der besseren Abfahrer – weil ich von der Technik gekommen bin. Aber die ersten zwei Jahre hab ich immer auf den leichten Passagen verloren. Zwei, drei Jahre hab ich gebraucht, bis ich auf der Geraden und in den lang gezogenen Kurven schnell war.

Hans Knauß als Coach beim Audi quattro Ski Cup © Skiing Penguin
Hans Knauß als Coach beim Audi quattro Ski Cup © Skiing Penguin

Sehen Sie im Speedbereich junge Läufer, die immer näher herankommen?
HANS KNAUSS: Ja, sehe ich. Und ich wünsche mir, dass sie heuer auch zum Übersee-Training mitgenommen werden, denn dort brennst die Arrivierten einmal her und sagst so „Hallo, da bin ich!“. Denn jung sind die alle nicht mehr, sie waren nur im Weltcup nicht oft mit dabei.

An wen denken Sie dabei?
HANS KNAUSS: Daniel Hemetsberger (26) zum Beispiel oder Daniel Danklmaier (24) und Christopher Neumayer (25). Joschi Kröll (27) ist eh schon lange dabei und muss sich jetzt irgendwie annähern. Alle haben es technisch drauf, alle können es und zeigen es auch im Training sowie im Europacup. Sie müssen nur die Handbremse im Kopf lösen und sich sagen: „Die da oben im Weltcup kochen auch nur mit Wasser.“

Wie sieht es im Riesentorlauf auf?
HANS KNAUSS: Da fehlt mir die zweite Garnitur, denn hinter Hirscher, Feller, Schörghofer, Leitinger und Brennsteiner klafft schon eine Lücke. Und so große Lücken wie etwa auch im Riesentorlauf-Team der Damen sollte einem großen Team wie dem ÖSV nicht passieren.

„In der breiten Öffentlichkeit Österreichs bin ich heute bekannter als damals.“

Wie sieht die Weltcup-freie Zeit von Hans Knauß aus?
HANS KNAUSS: Die ruhigste Zeit im Jahr sind immer Juli und August. Heuer fahre ich mit meiner Familie mit dem Wohnmobil durch Kanada. Vor zwei Jahren haben wir das in den USA gemacht und das hat den Kindern voll getaugt. Deshalb wollten wir so etwas unbedingt noch einmal unternehmen, bevor die Kinder groß sind und nicht mehr mit den Eltern zusammen auf Urlaub wollen.

Nach 13 Jahren als Aktiver im Weltcup sind Sie inzwischen seit 2005 Experte im ORF und haben eine enorme Bildschirmpräsenz. Genießen Sie heute eigentlich eine größere Bekanntheit als während der Zeit als Rennläufer?
HANS KNAUSS: Der Kitzbühel-Sieg 1999 hat mich in Sachen Anerkennung unter den Fans schon auf ein neues Level gehoben – auf einmal war es anders. In der breiten Öffentlichkeit Österreichs bin ich heute aber bekannter als damals – vor allem meine Stimme. Dabei hab ich das ja gar nicht angestrebt, nachdem ich aufgehört hab. Der ORF ist zu mir gekommen und hat gemeint: „Hast Lust?“ Mir ist das eigentlich fast passiert.

Und wie geht es Ihnen mit dieser Prominenz?
HANS KNAUSS: Die Vorteile überwiegen, ganz klar. Es gibt ganz wenige Momente, in denen mir lieber wäre, mich würde niemand kennen. Allerdings hab ich es nicht schwer, denn ich habe den Heldenstatus von früher verloren. Wenn ich wohin komme, freuen sich die Leute und damit hat es sich. Ein Marcel Hirscher hat in der Öffentlichkeit nirgends seine Ruhe.

Dank der Smartphones muss Hirscher nicht nur für Selfies herhalten, seine Präsenz wird von Fans auch sofort gepostet.
HANS KNAUSS: Stimmt. Es ist viel mühsamer geworden als früher das Autogrammeschreiben. Wenn mich die jüngeren Läufer heute fragen, ob das mit dem Feiern bei uns damals echt so „zach“ gewesen ist, antworte ich immer: „Ab und zu schon. Und einen Riesenvorteil haben wir im Vergleich zu euch gehabt: Bei den Handys war noch keine Kamera drin. Das hat uns den Allerwertesten gerettet.“